Niederdeutsches Bauernhaus aus Schleswig-Holstein wird exportiert

Ein Stück alte Heimat für die neue Welt
Kieler Nachrichten März 19, 1994

Kiel - Das Zielgebiet ist Manning im US-Bundesstaat Iowa, ein 800-Seelen-Nest unweit der Ortschaften Schleswig und Holstein. Und weil fast jeder zweite Einwohner in Manning Vorfahren aus dem Land zwischen den Meeren hat, will ein soeben gegründeter Heimatverein jetzt ein Stück Schleswig-Holstein importieren.

Ob nun in Manning selbst oder nur „nearby" — fest steht, daß ein niederdeutsches Bauernhaus demnächst über den „großen Teich" nach Amerika gehen wird. Dort soll es, wiederaufgebaut unter Anleitung von Experten aus Schleswig-Holstein, als Museum und Kulturzentrum dienen.

Die Idee, ein Stück alte Heimat ins Dorf zu holen, haben die Einwohner Mannings schlicht „geklaut". Denn im Nachbarort Elk Horn, weiß Prof. Norman Rippley, Germanist an der Universität St. Olaf in Northfield (Wisconsin), waren die Nachfahren dänischer Einwanderer schon vor Jahren aktiv geworden. Sie gründeten einen Club, sammelten Spenden, erfragten und erhielten Unterstützung von der dänischen Regierung und holten sich so eine alte dänische Windmühle in den Ort. Jetzt pilgern jährlich tausende Schulkinder nach Elk Horn, um das ungewöhliche Bauwerk zu bestaunen.

Immerhin 20000 Dollar hat die „Schleswig-Holstein Heritage Society" (Heimatverein) bereits zusammen. Und ein importfähiges Objekt aus Offenseth-Sparrieshoop bei Elsmhorn, das im Herbst frei wird, ist bereits gefunden. Ein niederdeutsches Fachhallenhaus, so wie es auch der im Freilichtmuseum Molfsee stehende „Schmielau-Hof" ist.

Alle brauchbaren Teile sollen — demontiert und numeriert — dannnach Amerika exportiert werden. Steine gehen als Muster über den Teich, werden dort originalgetreu nachgebrannt. Und Reetdecker sind auch schon ausfindig gemacht.

Der Wunsch, sich mit dem Bauernhaus ein Stück Heimat ins Dorf zu holen, kommt nicht von ungefähr. Eine regelrechte „back-tothe-roots" (Zurück-zu-den-Wurzeln)-Manie sei in den Staaten zu beobachten, sagt der Kieler Historiker Joachim Reppmann.

So gehört etwa ein „Schleswig-Holstein-Heritage-Cookbook" zu den Bestsellern in Bundesstaaten wie Wisconsin, Dakota oder Iowa, dort also, wo sich vor gut 200 Jahren die ersten „Nordlichter" ansiedelten. „Großer Hans", „Preßkopp" oder „Schweinebacke", das alles wird inzwischen wieder nachgekocht von Familien wie den Stojohanns, den Claussens oder den Petersens, deren Namen noch dutzendfach in den Telefonbüchern auftauchen.

Kein Wunder: Immerhin zwei Millionen Amerikaner im Mittleren Westen sehen sich laut Reppmann als Nachfahren schleswig-holsteinischer Einwanderer. Und nahezu jeder vierte US-Amerikaner vermutet seine Wurzeln in Deutschland. Dazu gehört übrigens auch Prof. Rippley selbst, dessen schwäbische Ahnen freilich einst als Familie Ripple die große Reise antrat. PETER HÖVER